Die kaputte Elite: Ein Schadensbericht aus unseren Chefetagen by Herles Benedikt

Die kaputte Elite: Ein Schadensbericht aus unseren Chefetagen by Herles Benedikt

Autor:Herles, Benedikt [Herles, Benedikt]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: E-Books der Verlagsgruppe Random House GmbH
veröffentlicht: 2013-10-07T22:00:00+00:00


Das Dilemma der Technokraten

Wer verkrampft versucht, alles richtig zu machen, kann viel verlieren. Die ängstlichen Technokraten planen, analysieren, quantifizieren und budgetieren. Sie arbeiten rund um die Uhr, sind hart gegen sich selbst und ihre Mitarbeiter. Doch das Wichtigste verstehen sie oft nicht. Die Geschichte ist voll von Firmen, die entscheidende technische Entwicklungen verschliefen und so den Wettbewerb um Kunden verloren. IBM, Hewlett-Packard, Kodak, Nokia, Gruner + Jahr: die Liste der einst gefeierten Konzerne, deren Vorstände – wie John Sculley bei Apple – irgendwann nicht mehr mitbekamen, was in ihrer Branche wirklich abging, ließe sich endlos weiterführen. Das Phänomen ist bekannt und bestens beschrieben: Es handelt sich um das sogenannte Innovator’s Dilemma.90 Wenn bahnbrechende Innovationen Märkte strukturell verändern, sind es nur sehr selten die etablierten Marktführer, von denen der Wandel ausgeht.

Als im 19. Jahrhundert Dampfschiffe die Seefahrt revolutionierten, waren nicht etwa ehemalige Segelschiff-Werften die Hersteller der neuen Dampfer. Sie hatten zu lange auf die Kraft des Windes gesetzt, hatten immer bessere und größere Windjammer gebaut und waren schließlich untergegangen. In der Computerindustrie etwa gelang es führenden Unternehmen fast nie, ihre Position über technologische Sprünge hinweg zu verteidigen. IBMs Großrechner hatten so gut wie keine ebenbürtige Konkurrenz. Doch als in den sechziger Jahren die Minirechner aufkamen, verpasste IBM diese Entwicklung. Firmen wie die heute fast vergessene Digital Equipment Corporation (DEC) und andere machten den neuentstandenen Markt unter sich aus. Aber auch ihr Erfolg währte nicht lange. Mit dem Aufkommen der Personal Computer in den siebziger Jahren veränderte sich die Rechnernachfrage erneut. Die bestehenden Player schätzten das Potential der neuen Produkte dramatisch falsch ein. »Es gibt keinen Grund, warum irgendjemand einen Computer in seinem Haus wollen würde«, sagte noch 1977 der Gründer und Präsident der DEC, Ken Olson.91 Die Gewinne aus dem PC-Geschäft erwirtschafteten dann auch andere. Es waren Firmen wie Apple, IBM, Commodore oder Tandy. Produkte der Letztgenannten sind heute schon wieder Geschichte.

Zurzeit vollzieht sich der nächste technologische Bruch. Der einstige Silicon-Valley-Pionier Hewlett-Packard ist deshalb in massive Schwierigkeiten geraten. An dessen Spitze steht Meg Whitman, eine ehemalige Beraterin von Bain & Company. Die starke Frau aus Palo Alto musste jetzt lernen: Rationalisierungen machen noch lange keine gute Strategie. Unfassbare 27 000 Stellen wurden 2012 gestrichen.92 Trotzdem brachen Umsatz und Gewinn weiter ein.93 Warum? Die aktive Republikanerin und Ex-Vorstandsvorsitzende von eBay findet einfach keine Antworten auf die Herausforderungen ihrer Industrie. Während die ganze Welt nur noch Tablets und Smartphones kauft, setzt HP immer noch auf Drucker und PCs.

Die gleichen Muster wiederholen sich in ganz unterschiedlichen Branchen. 2012 meldete der Traditionskonzern Kodak Insolvenz an. Die legendäre Fotofirma aus analogen Zeiten hatte die aufkommende Digitaltechnologie zu lange unterschätzt. Es ist »die Geschichte eines Pioniers«, so Spiegel Online, »der erst die Fotografie revolutionierte und dann selbst Opfer anderer Revolutionen wurde: Erst kam die Digitalisierung, dann der Siegeszug der Fotohandys. Beides machte Kodaks Geschäftsmodell obsolet, ließ die Umsätze der US-Firma verblassen wie ein altes Foto.«94 Sehr düster sieht es auch für die Mobilfunkgeräte-Hersteller Nokia und Blackberry aus. Einst als Smartphone-Star gefeiert, wollte Letzterer die zunehmende Beliebtheit von Touch-Screen-Displays und Apps nicht wahrhaben.



Download



Haftungsausschluss:
Diese Site speichert keine Dateien auf ihrem Server. Wir indizieren und verlinken nur                                                  Inhalte von anderen Websites zur Verfügung gestellt. Wenden Sie sich an die Inhaltsanbieter, um etwaige urheberrechtlich geschützte Inhalte zu entfernen, und senden Sie uns eine E-Mail. Wir werden die entsprechenden Links oder Inhalte umgehend entfernen.